NIKON


Förderkennzeichen: 49MF170113
Projektlaufzeit: 01.05.2018 bis 31.10.2020

Diffusionsschweißen mit nicht konstanter
Kraftaufbringung

Das Ziel des Vorhabens war die Erhöhung der Prozesssicherheit des Diffusionsschweißens von Werkstoffen mit stabilen Oxidschichten. Dazu wurden Untersuchungen zum Einfluss der Oberflächenvorbehandlung und einer zeitlich pendelnden Kraftbeaufschlagung während des Schweißprozesses durchgeführt.

Ziel der Entwicklung

Der klassische Diffusionsschweißprozess wurde bisher mit konstanter Kraftaufbringung umgesetzt. Das bedeutet, dass der vorgegebene Sollwert der Kraft über entsprechende Kraftmessdosen aufgenommen wird. Durch einen Regelkreis mit Proportional- und Integralregler erfolgt die Anpassungen des Pressenverfahrweges als Stellgröße zum Ausgleich der thermisch bedingten Ausdehnung bzw. Stauchung von Ofenanlage und Charge über den Temperaturzyklus des Schweißprozesses. Hierdurch ergeben sich alternierende Hub- und Senkbewegungen des Pressstempels, um die Sollkraft näherungsweise zu erreichen bzw. zu halten. Dabei ist das gesamte Presssystem inklusive der Regelung darauf ausgelegt und optimiert, die Sollkraft präzise auszuregeln, um die Pressenbewegung zu minimieren. Demgegenüber sollte die Kraftbereitstellung im Projekt gezielt dynamisch, also durch einen kontinuierlichen Lastwechsel mit definierter Amplitude, erfolgen. Durch diese dynamische Belastung wurden somit auch die Spannungszustände in den Füge- bzw. Grenzflächen alterniert. Hierdurch können diffusionsbehindernde Oxidschichten aufgebrochen und dadurch die Verbundausbildung weiter verbessert werden.

 

Vorteile und Lösungen

Die Betrachtungen erfolgten anhand von strukturierten Proben mit anwendungsnahen Anforderungen, Dimensionierungen und Strukturen. Diese wurden mit Projektpartnern herausgearbeitet, am ifw Jena hergestellt und fertigungstechnisch qualifiziert. Für das entwickelte Funktionsmuster wurde zunächst ein numerisches Modell zur Simulation des entstehenden Temperaturfeldes entwickelt. Unter Einsatz der Finite-Elemente-Methode wurde ein Wärmestrahlungs- und Leitungsmodell erstellt, welches in der Lage ist, das Temperaturfeld während des Schweißens abzubilden. Mit der auf den Bau von Ofenanlagen spezialisierten Firma MUT Advanced Heating GmbH wurde ein kommerzielles Presstempelsystem so angepasst, dass es in eine am ifw Jena bestehende Ofenanlage integriert werden konnte. Durch ein Software-Update sowie Anpassungen der Regler-Stellgrößen in der SPS-Steuerung konnte die Steuerung angepasst werden, um im laufenden Prozess regelbare dynamische Lastfälle zu erzeugen. Zur Überprüfung von Funktion und Leistungsfähigkeit des Pressensystems wurden Schweißversuche an einfachen Blechzuschnitten durchgeführt und die Ergebnisse metallografisch bewertet. Außerdem konnte über die aufgenommene Kraft-Zeit-Kurve eine dynamische Lastbeaufschlagung nachgewiesen werden. Für die definierten Formen des Funktionsmusters wurde in Abstimmung mit den Projektpartnern zunächst das Material für eine AlMg3 Folie von 100 µm Dicke charakterisiert. Für die weiteren Untersuchungen wurden darüber hinaus Titan- und Stahlbleche bzw. -folien unter anderem bezüglich ihres Oberflächenprofils mittels eines Tastschnittgeräts vermessen. Die Strukturen des Funktionsmusters wurden durch Laserschmelzschneiden und Lasersublimierschneiden hergestellt, was immer zu einer gewissen Gratbildung führt. In Summe führen diese Grate an den Kanten zu einer unebenen und damit für das Diffusionsschweißen bedingt geeigneten Oberfläche. Für erste Schweißversuche wurden die Grate auf den lasergeschnittenen Folien vorsichtig durch Schleifen entfernt. Ein positiver Nebeneffekt der sich hieraus ergibt, besteht im Abtrag der natürlichen Oberflächenoxidschicht sowie der Änderung des Oberflächenrauheitsprofils und einer damit einhergehenden weiteren Aktivierung der Oberfläche. Die ersten Versuche zum Diffusionsschweißen unter dynamischer Belastung wurden mit einer Flächenpressung von 3 MPa und bei einer Schweißtemperatur von 550 °C durchgeführt, um so eine schnelle Abschätzung der Verformungsunterschiede zwischen dynamischer und statischer Kraftbeaufschlagung zu erhalten. Es zeigte sich jedoch, dass eine sehr hohe Schwindung auftrat, woraufhin die Pressung auf 2 MPa verringert wurde, um die Schwindung zu reduzieren. Anschließend wurden Schweißexperimente bei 2 MPa und Temperaturen von 400 bis 550 °C durchgeführt, wobei sowohl Bleche (2 mm, Überlappverbindung) als auch Probenwürfel (7,9 mm, deckungsgleich) geschweißt wurden, um eventuelle Unterschiede in der Schwindung bzw. Verformung in Abhängigkeit von der Ausgangsdicke festzustellen zu können. In den folgenden Zugscherversuchen an den verschweißten Überlappverbindungen hielten nur drei Verbindungen die Belastung der Einspannung aus. Bei einer Schweißtemperatur von 550 °C ist die Festigkeit der dynamisch geschweißten Verbindung nur etwa halb so groß wie die der statisch geschweißten, wodurch das dynamische Verfahren auf den ersten Blick die schlechtere Variante zu sein scheint. Vergleicht man die Festigkeiten nicht auf Basis der Schweißtemperatur, sondern der Schwindung, so ist die Festigkeit bei dynamischer Schweißung und einer Schwindung von 4,17 % mehr als doppelt so groß wie die der statischen Schweißung mit einer Schwindung von 4,09 %. Für Schweißversuche zur Herstellung von Funktionsmustern wurden zunächst 100 µm dicke AlMg3 -Folien verschweißt. Bei den äußeren Abmessungen konnten keine Abweichungen festgestellt werden, allerdings in den Kanalstrukturen. Während für die Breiten 300 µm bis 500 µm der komplette Kanal frei war, waren bei 200 µm die Hälfte oder mehr verschlossen. Der 100 µm breite Kanal war komplett verschlossen. Zur Überprüfung wurden Röntgenmessungen an statisch und dynamisch geschweißten Funktionsmustern vorgenommen. Es zeigte sich eine gute Maßhaltigkeit und abgesehen von der Kanalstruktur keine auffälligen ungefügten Bereiche. Die Dichtheit konnte auch durch He-Lecktests bestätigt werden. In Ultraschalluntersuchungen konnten keine unregelmäßigen Echosignale detektiert werden, welche auf fehlerhafte Verbundausbildung oder interne Risse hindeuten. Es konnte in der Prozesskette nachgewiesen werden, dass eine dynamische Krafteinwirkung während des Schweißprozesses zu geringeren Verformungen führt als bei einer statischen Prozessführung. Dies erlaubte es, bei vorgegebener Verformung eine um 50 °C höhere Schweißtemperatur zu nutzen, was zu einer maßgeblich erhöhten Diffusion und letztlich zu einer fast doppelt so hohen Scherfestigkeit dynamisch geschweißter Bauteile führte.

 

Zielmarkt

Das Fügeverfahren des Diffusionsschweißens gewinnt zunehmend an Bedeutung auch in der additiven Fertigung über das Slicen (definierter Schichtaufbau über Folien bzw. Bleche). Daraus ergeben sich neue Anwendungsbereiche, die gegenüber der konventionellen Metallfertigung großes Anwendungspotential aufweisen. Dies betrifft die Verschweißbarkeit von gleichen bzw. unterschiedlichen Werkstoffen bis hin zu Konstruktion und Fertigungsdesign. Eine Herausforderung besteht jedoch darin, dass die einzelnen Prozessparameter auf jedes zu fügende Bauteil in der Bauteilgeometrie und im Fügedesign abhängig von dessen Anforderungs¬profil abgestimmt werden müssen. Die Leistungsfähigkeit von diffusionsgeschweißten Bauteilen wie z. B. Wärmetauschern ist gegenüber solchen, welche auf konventionelle Füge- bzw. Verbindungstechnologien beruhen signifikant erhöht. Das Diffusionsschweißen ermöglicht die Herstellung von artgleichen und artfremden flächigen und stoffschlüssigen Verbunden im festen Zustand. Das bedeutet, dass zum einen keine schmelzflüssigen Phasen auftreten, womit auch Präzisionsteile mit z. B. feinsten Strukturen, Kavitäten oder Kanälen gefertigt werden können, zum anderen kann hierdurch auf den Einsatz von Zwischenschichten verzichtet werden, die sich in ihrer stofflichen Zusammensetzung vom zu fügenden Grundwerkstoff unterscheiden.